SDGs – Gelegenheitsfenster für die Entwicklung von KMU in Deutschland

Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen dienen als Grundlage der weltweiten Nachhaltigkeitspolitik bis 2030. Doch nicht nur die politische Ebene ist für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele verantwortlich. Auch die Wirtschaft ist eine zentrale Säule bei der Bewältigung der Ziele. Dabei sind es nicht nur die Großkonzerne, sondern auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die zu einer nachhaltigen Transformation beitragen können. Die SDGs stellen hierbei zwar eine Herausforderung, aber auch eine Chance für die KMU dar.

Die SDGs wurden 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und stellen Zielvereinbarungen der weltweiten Staatengemeinschaft für die nachhaltige Entwicklung bis 2030 dar. Insgesamt gibt es 17 zentrale Ziele, mit denen 169 Unterziele einhergehen, an denen sich die Adressaten und Adressatinnen der SDGs orientieren können. Die 17 Ziele können in fünf Kategorien unterteilt werden, die auch als 5 „Ps“ bekannt sind (Abb. 1). Dabei richten sich die SDGs nicht nur an die Politik selbst, sondern erfordern ein gesamtgesellschaftliches Handeln aller Akteure, einschließlich Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Unternehmen (RENN.nord, 2022, 1).

Abb.1: 5 „P“ der nachhaltigen Entwicklung

 

Die zentrale Rolle der Unternehmen bei der Umsetzung der Ziele wird bei einem Blick in die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sichtbar, in der davon gesprochen wird, das nachhaltige Wirtschaften stärken zu wollen. Dabei stellt die Bundesregierung den transformativen Charakter der Nachhaltigkeitsstrategie heraus, die diese als einen Prozess begreift, der einer dauerhaften Anpassung unterliegt. Folglich werden die Unternehmen als notwendiges Element der Transformation zur Nachhaltigkeit begriffen und sind im Rahmen dieser Entwicklung gezwungen, sich an den SDGs im Unternehmensablauf zu orientieren und fortwährende Anpassungen des Geschäftsbetriebs vorzunehmen (Bundesregierung, 2021).

Umsetzung der SDGs in kleinen und mittleren Unternehmen

Dass diese Anpassungen nicht von heute auf morgen gelingen können, erscheint naheliegend. Zudem kann auch nicht jedes KMU jedes SDG gleichermaßen sinnvoll adressieren. SDG 6 etwa, welches das Ziel sauberen Wassers und sauberer Sanitäreinrichtungen verfolgt, ist eher für die Wasserwirtschaft oder die Landwirtschaft relevant als für die Mobilitätsbranche. Damit die erforderlichen Transformationen dennoch gelingen können und KMU sich den für sie relevanten Zielen annehmen, bedarf es eines strukturierten Vorgehens. Dabei bietet zum einen der SDG Compass (Global Reporting Initiative et al., 2017) für alle wirtschaftlichen Akteure und Akteurinnen Orientierung. Zum anderen gibt es zwei Veröffentlichungen, die sich mit dem Umgang mit den SDGs speziell im Kontext kleiner und mittlerer Unternehmen auseinandersetzen (IHK Bayern/Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2020; Giesenbauer/Müller-Christ, 2018). Hierbei zeigen sich hohe Überschneidungen im empfohlenen Vorgehen, weswegen im Nachfolgenden die Kernerkenntnisse zusammengefasst werden, um aufzuzeigen, wie ein erfolgreicher Umgang mit den SDGs für KMU gelingen kann.

Zunächst müssen Unternehmen ein Verständnis für die SDGs allgemein sowie die 17 Hauptziele und 169 Unterziele entwickeln. So werden Möglichkeiten herausgearbeitet, nachhaltiger zu wirtschaften. Entsprechend wird der Blick für die negativen und positiven Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf die Nachhaltigkeit geschärft.

Zweitens, und eng verknüpft mit dem ersten Schritt, ist die Priorisierung der SDGs. Besteht Klarheit und ein gutes Verständnis der SDGs, kann auch definiert werden, welche SDGs im Rahmen der Betriebsaktivitäten sinnvoll zu adressieren sind. Orientierung dabei bieten die folgenden drei Fragen:

  1. Gibt es einen direkten Bezug zwischen einem Nachhaltigkeitsziel und meinem Geschäftsmodell?

  2. Betrifft das Nachhaltigkeitsziel meine Wertschöpfungskette?

  3. Liegt das Nachhaltigkeitsziel im Einflussbereich meines Unternehmens?

Durch die Auseinandersetzung mit diesen Fragen wird der Fokus auf die Kernaktivitäten des Unternehmens gelenkt und eine Diskussion darüber angeregt, wo wirklich sinnvolle Eingriffe und Verbesserungen erzielt werden können. Die Debatte darüber sollte nicht nur im engsten Führungskreis stattfinden. Stattdessen ist es ratsam die Mitarbeitenden, sowie Kooperationspartner in den Prozess der Priorisierung miteinzubinden. Dies ermöglicht es, leichter relevante Informationen zu generieren. Die frühzeitige Einbindung der Stakeholder sichert nicht nur einen stetigen Informationsfluss, sondern ebenfalls die Akzeptanz der Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

Im dritten Schritt wird konkretisiert, wie die priorisierten Ziele erreicht werden sollen und mit der Implementation von Maßnahmen begonnen. Die Zielsetzung muss dabei messbar gemacht und eindeutige Zielwerte festgelegt werden. Die Ziele sollten dabei nicht nur zeitlich vorgegeben, sondern auch ambitioniert ausgestaltet sein, da dies zur Innovation und Kreativität bei der Implementierung neuer Maßnahmen anregt. Zudem ist es hilfreich, Meilensteine zu definieren, anhand derer das Handeln überprüft wird.

Im vierten und letzten Schritt geht es um das Reporting. Sind Ziele erst einmal definiert und Maßnahmen zur Zielerreichung umgesetzt, bedarf es der Kontrolle dieser Umsetzungsschritte, sowie der Kommunikation darüber, in welchen Bereichen im Unternehmen noch Nachholbedarf in Bezug auf die SDGs besteht. Somit geht es erst einmal um eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation, auf der aufbauend neue Ziele definiert oder alte Ziele nachgebessert werden. Die Ergebnisse müssen dabei auch nach außen kommuniziert werden, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens zu erhöhen.

Abb. 2: Umsetzungsprozess von SDGs im Unternehmen

 

Die genannten Schritte geben einen Rahmen dafür, wie die Umsetzung von SDGs in KMU gelingen und man mit der Herausforderung der Einführung nachhaltiger Maßnahmen umgehen kann. Allerdings bleibt die Frage offen, weshalb gerade diese Unternehmen sich diesen Herausforderungen stellen sollten.

Risiken und Chancen der SDG-Umsetzung für kleine und mittlere Unternehmen

Gerade für KMU stellt die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele der UN eine große Hürde dar. Die eigenen Ressourcen sind im Vergleich zu Großkonzernen häufig beschränkter und müssen unmittelbar für den laufenden Betrieb eingesetzt werden, um am Markt konkurrenzfähig zu sein. Weder hat man vergleichbare finanzielle, personelle und technische Möglichkeiten, die man direkt in die SDGs investieren kann. Jedoch kann die erfolgreiche Umsetzung gelingen, wenn man die Ziele im Rahmen des eigenen Geschäftsbetriebes mitdenkt, wie im zweiten Schritt (Priorisierung) erläutert worden ist. Ist sich die Unternehmensleitung derjenigen Unterziele bewusst, die man selbst im eigenen Betriebsablauf adressieren kann, schafft man positive Effekte, ohne die eigene Geschäftsfähigkeit zu gefährden, trotz limitierter Mittel.

Die Umsetzung gewisser SDGs ist also für KMU möglich, wobei die Frage bestehen bleibt, wieso man die zusätzlichen Aufwendungen und Kosten für die SDG-Umsetzung auf sich nehmen sollte. Die Antwort hierauf besteht in den vielfältigen Chancen, die sich bei einer Anpassung der KMU für diese selbst ergeben. Zunächst einmal sind hier vier Vorteile zu nennen, die das IHK und das Bayerische Landesamt für Umwelt in ihrer Publikation herausarbeiten (2020, 4f.).

  1. Innovation: Da die SDGs Ziele definieren, für deren Umsetzung es neuer Ideen bedarf, dienen diese als Innovationstreiber. Demnach öffnen die formulierten Ziele den Blick für das Thema Nachhaltigkeit und bieten so verschiedenen KMU die Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen, bzw. neue Technologien zu entwickeln.

  2. Arbeitgeberattraktivität: Vor allem die jüngeren Generationen legen Wert auf eine sinnstiftende Arbeit und stellen im Rahmen dessen auch zunehmend Anforderungen an ihren Arbeitgeber. Diese Anforderungen zielen auf die Aufgabe des Unternehmens ab, nicht nur Gewinne zu erwirtschaften, sondern auch einen ökologischen und sozialen Beitrag zu gewährleisten. Daher liegt in der Umsetzung der SDGs auch die Chance, neue Fachkräfte zu gewinnen und bereits im Betrieb tätige Personen länger an das Unternehmen zu binden.

  3. Reputation: Nicht nur die im Unternehmen tätigen Personen, auch die Konsumenten und Konsumentinnen erwarten Transformationen der Unternehmen in Richtung nachhaltiger Entwicklung und strafen jene Firmen ab, die sich nicht den neuen Erwartungen im Sinne der Nachhaltigkeit anpassen. Erfolgt eine solche Anpassung jedoch schnell, glaubwürdig und transparent, besteht die Gelegenheit für KMU, eigene Wettbewerbsvorteile zu erzielen und neue Konsumgruppen anzusprechen.

  4. Kooperation: Da die SDGs nicht nur unternehmerische, sondern ebenso wissenschaftliche, zivilgesellschaftliche und politische Akteure adressieren, legt dies nahe, dass viele Probleme nur im Rahmen gemeinsamer Interaktion zu lösen sind. Dabei ergibt sich für KMU die Möglichkeit, auch über die Umsetzung der Ziele hinaus Partnerschaften zu bilden, die für den Geschäftsbetrieb von Vorteil sein können.

Neben diesen vier genannten Chancen gibt es noch einen weiteren zentralen Punkt, weswegen KMU sich mit den UN-Zielen auseinandersetzen sollten. Denn nicht nur die Transformation hin zur Nachhaltigkeit ist mit fortwährenden Anpassungen verbunden, wie zu Beginn angemerkt worden ist. Auch andere Prozesse wie die Digitalisierung, die geopolitischen Konflikte oder die Beschleunigung der Arbeitswelt erfordern Change-Prozesse in Unternehmen. Folglich befinden sich die Betriebe ohnehin schon in Situationen permanenten Wandels, in denen dauerhafte Änderungen notwendig sind, um am Markt zu überleben. Somit stellt die Implementierung der SDGs zwar eine neue Aufgabe dar, die jedoch im Rahmen bereits bestehender Änderungsprozesse mitgedacht werden kann. Durch die Umsetzung der SDGs werden kleine und mittlere Unternehmen sowohl zentraler Bestandteil einer ökonomisch, ökologisch und sozial gedachten Zukunft, bei der zeitgleich bei richtiger Herangehensweise die eigene Wirtschaftlichkeit gestärkt wird.

 

Quellen

Bundesregierung, 2021, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021 - Kurzfassung, Berlin

Giesenbauer / Müller-Christ, 2018, Die Sustainable Development Goals für und durch KMU – Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen, https://www.nachhaltigkeitsallianz.de/wp-content/uploads/2018/12/SDG_KMU_Leitfaden_Okt2018.pdf [12.12.2023]

Global Reporting Initiative / United Nations Global Compact / World Business Council for Sustainable Development, 2017, SDG Compass – Leitfaden für Unternehmensaktivitäten zu den SDGs, https://d306pr3pise04h.cloudfront.net/docs/issues_doc%2Fdevelopment%2FSDG_Compass_German.pdf [12.12.2023]

IHK Bayern / Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2020, Ziele für nachhaltige Entwicklung – SDG-Wegweiser für kleine und mittlere Unternehmen, https://www.umweltpakt.bayern.de/download/werkzeuge/nachhaltigkeitsmanagement/sdg/sdg_wegweiser_letfaden.pdf [12.12.2023]

RENN.nord, 2022, Ziele für nachhaltige Entwicklung – Die 169 Unterziele im Einzelnen, https://www.globaleslernen.de/sites/default/files/files/pages/broschuere_sdg_unterziele_2019_web.pdf [12.12.2023]

 

David arbeitet als studentischer Mitarbeiter im Kompetenzfeld Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik des IW Köln. Er studierte im Bachelor/Master Politikwissenschaften in Göttingen und derzeit Betriebswirtschaftslehre im Bachelor an der Universität zu Köln.