Geld macht doch glücklich – aber nicht viel mehr als ein erholsames Wochenende!

Geld macht glücklich; aber in Europa nur bis zu einem Einkommen von etwa 70.000 Euro. Eine neue Studie zeigt nun: auch ein höheres Einkommen kann das Glücksempfinden weiter steigern.

Die Frage, ob Geld glücklicher macht, beschäftigt die Menschen schon seit jeher. Für jeden Einzelnen ist die Antwort vor allem bei der Abwägung zwischen Einkommen und anderen Lebenszielen relevant; für Unternehmen hinsichtlich der Mitarbeiterzufriedenheit und der Höhe von Löhnen und Gehältern; für die Politik bei Maßnahmen zur Steigerung der Lebenszufriedenheit der Bevölkerung generell.

Studien zeigen, dass das Glück nur bis zu einem bestimmten Einkommen steigt. Der Grenznutzen des Geldes nimmt mit zunehmenden Einkommen ab: die Steigerung um 1.000 Euro sind für jemanden mit 2.000 Euro Einkommen wertvoller als für jemanden, der 5.000 Euro bezieht. Solange Menschen arm sind, ist das Einkommen besonders wichtig für ihr Glück. Wenn sie in Wohlstand leben und finanziell abgesichert sind, verliert die Höhe des Einkommens an Bedeutung (Drakopoulos, 2011).

Wer schon viel hat, den macht noch mehr nicht immer zufriedener.

Kahneman und Deaton (2010) fanden heraus, dass zusätzliche Verdienste ab einem (logarithmierten) Jahreseinkommen von mehr als 75.000 Dollar - bzw. der Einkommensspanne von 60.000 bis 90.000 Dollar - das Glücksgefühl (emotional Wellbeing) nicht mehr steigern. Dies ist bis heute die wohl einflussreichste Studie in diesem Bereich.

Eine neue Untersuchung hinterfragt diese Grenze nun: Matthew Killingsworth (2021) zeigt in seiner neuen Studie mit 33.391 Personen in der Altersspanne 18-65 Jahren, dass sich auch bei höherem Einkommen ein Zusammenhang herstellen lässt. Seine Daten deuten auf einen linearen Zusammenhang zwischen dem (logarithmierten) Einkommen und dem emotionalen Wohlbefinden (Glück) hin. Ein Plateau wie bei Kahnemann/Deaton konnte er nicht nachweisen. Im Gegenteil: Im Rahmen seiner Untersuchung stieg das Glück auch bei einem Einkommen von über 200.000 Dollar immer weiter an (Abbildung 1). Zwar ließ sich ein abflachendes Muster ab einem gewissen Punkt erkennen, dies traf aber nur auf die am wenigsten glücklichen 20 Prozent der Bevölkerung zu.

 

 

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Einkommenszuwächse bei Einkommen unter 80.000 Dollar vergleichsweise stärker zur Verringerung negativer Gefühle (z.B. Angst, Wut, Trauer, Langeweile, Stress) beitrugen - Bei Einkommen über 80.000 Dollar wurden hingegen positive Gefühle (z.B. Zuversicht, Interesse, Stolz) gesteigert (Abbildung 2). Das bedeutet:

Bei Geringverdienenden geht es darum, negative Gefühle im Leben zu vermeiden, bei Besserverdienenden eher um den Zuwachs positiver Gefühle – was schließlich auch dem Alltagsverständnis entspricht.

In einem gemeinsamen Papier analysierten die Autoren beider Studien ihre abweichenden Ergebnisse (Killingsworth/Kahneman/Mellers, 2022), die u.a. auf Unterschiede in den Methodiken zurückzuführen sind. So vermuten sie etwa, dass Kahneman/Deaton (2010) zu einem anderen Ergebnis gekommen wären, wenn sie ihre Ergebnisse in Bezug auf das Unglücklichsein bestimmter Personen, anstatt auf das Glücklichsein bezogen hätten. Insgesamt resümierten die Autoren:

  1. Es gibt eine unglückliche Minderheit, deren Unzufriedenheit mit steigendem Einkommen bis zu einem bestimmten Schwellenwert abnimmt und sich dann nicht mehr weiterentwickelt.

  2. Bei der glücklicheren Mehrheit steigt die Zufriedenheit mit dem Einkommen auch im hohen Einkommensbereich weiter an.

Das emotionale Wohlbefinden der am wenigsten glücklichen 15 Prozent steigt im unteren Einkommensbereich schnell an und pendelt sich schließlich bei etwa 100.000 Dollar ein (statistisch allerdings kaum signifikant). Das bedeutet, dass im unteren Bereich der Einkommensverteilung unglückliche Menschen stärker von einem höheren Einkommen profitieren als glückliche Menschen (Killingsworth/Kahneman/Mellers, 2022). Der Grund dafür kann sein, dass Geringverdienende durch Einkommenszuwächse die Möglichkeit haben, die Ursachen ihrer Probleme/Leiden zu verringern oder abzuschwächen, wie etwa generelle Existenzängste. Sie erlangen so ein stärkeres Gefühl der Kontrolle über ihr Leben. Die maximale Einkommensschwelle von 100.000 Dollar könnte der Punkt sein, ab dem weitere Probleme wie Trauer, Gesundheit oder Einsamkeit nicht mehr gemildert werden können. Bei höheren Einkommen kehrt sich der Trend um: Sehr glückliche Menschen profitieren sehr viel stärker von einem noch höheren Einkommen als unglückliche Menschen (Killingsworth/Kahneman/Mellers, 2022).

Die Mitte der Glücksverteilung hingegen zeigt eine annähernd lineare Zunahme des Glücks mit steigendem Einkommen.

Allerdings  ist zu beachten, dass die Beziehung zwischen Glück und Einkommen zwar robust, aber letztlich doch nur schwach ist (Killingsworth/Kahneman/Mellers, 2022). Eine deutliche Einkommenssteigerung sorgt nur für ein mehr an positiven Gefühlen wie ein schönes Wochenende, wie die Autoren selber erklären. Und ein schönes Wochenende lässt sich viel leichter erreichen, als eine deutliche Einkommenssteigerung.

 

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Quellen

Drakopoulos, Stavros, 2011, Das Paradox, in: Bormans, Leo (Hrsg.), Glück – The World Book of Happiness, Köln, S. 26–28.

Kahneman, Daniel / Deaton, Angus, 2010, High income improves evaluation of life but not emotional well-being, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, 107. Jg., Nr. 38, S. 16489–16493

Killingsworth, Matthew A., 2021, Experienced well-being rises with income, even above $75,000 per year, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 118. Jg., Nr. 4

Killingsworth, Matthew A. / Kahneman, Daniel / Mellers, Barbara, 2023, Income and emotional well-being: A conflict resolved, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 120. Jg., Nr. 10, e2208661120

Lena arbeitet seit 2018 als Referentin in der IW Akademie. Sie studierte im Master Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Management/Marketing an der Universität Duisburg-Essen.