Führung

Warum Startups immer überraschend scheitern

Dem Bundesverband Deutsche Startups zufolge schaffen es nur 30 Prozent der Startups, dauerhaft zu bestehen. Während nach einem Jahr noch 95 Prozent der neugegründeten Unternehmen am Markt sind, sind nach fünf Jahren nur noch knapp 60 Prozent der Startups aktiv. Gründe für das Scheitern sind unter anderem die fehlende Finanzierung, mangelndes betriebswirtschaftliches Wissen und ein unklarer Kundennutzen des Produktes (DIHK, 2015).

Viele Menschen träumen vom eigenen Unternehmen, von der Selbstständigkeit und beruflichen Unabhängigkeit. So wurden 2015 in Deutschland 300.000 Unternehmensneugründungen im Vollerwerb und knapp 250.000 im Nebenerwerb verzeichnet (Institut für Mittelstandsforschung Bonn, 2016). Gleichzeitig wurden im selben Jahr 323.000 Unternehmen aufgelöst – das sind 23.000 mehr Auflösungen als Gründungen. Diese Bilanz zeigt, dass die meisten Gründungsprojekte auf lange Sicht nicht erfolgreich sind.

Unternehmensgründer denken häufig nur an Apple, Facebook & Co.

Für Unternehmensgründer ist dies eine ernüchternde Statistik. Wenn Menschen planen, ein Unternehmen ins Leben zu rufen, denken sie nicht an die Vielzahl von gescheiterten Unternehmensgründungen, sondern nur an erfolgreiche Startup-Geschichten wie die von Apple, Facebook oder eBay. Dementsprechend sind die meisten Gründer optimistisch gestimmt, wenn sie ihr eigenes Unternehmen starten.

Würden Unternehmensgründer nur einen Moment in die Statistik schauen, würden sie sich der geringen Überlebenschancen ihres Unternehmens bewusst werden und ihre Entscheidung noch einmal überdenken. Wo kommt dann dieser unrealistische Optimismus her?

Erfolge erzeugen im Alltag größere Sichtbarkeit und Resonanz. Demzufolge fallen Menschen viel schneller und mehr positive Beispiele von Unternehmensgründungen ein als negative. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses wird von vielen Faktoren beeinflusst wie der Vorstellbarkeit des Ereignisses, von persönlichen Erfahrungen und den Medien. Letztere berichten vor allem von Geschehnissen, die große Resonanz erzeugen, und bieten daher keine objektive Berichterstattung. Die tatsächliche Häufigkeit wird demgemäß falsch eingeschätzt und Gründer erliegen einer Illusion. In der Fachsprache wird von Verfügbarkeitsheuristik gesprochen. Menschen fällen Urteile nicht auf Basis der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit, sondern auf Basis der Informationen, die ihnen als nächste zugänglich sind.

Overconfidence-Effekt – Überschätzen wir uns?

Neben der Verfügbarkeitsheuristik kommt in diesen Zusammenhang auch der Overconfidence-Effekt zum Tragen. Dieser Bias beschreibt die Tendenz von Menschen, das eigene Wissen und die individuellen Fähigkeiten zu überschätzen. So wird die Wahrscheinlichkeit, zu scheitern, als geringer eingeschätzt als das Scheitern anderer. Die verzerrte Selbstwahrnehmung und erhöhte Risikofreude erklären, warum Gründer bei der Gründung ihres Unternehmens optimistisch in die Zukunft blicken. Eng verwoben mit den zuvor beschriebenen kognitiven Verzerrungen ist der Bestätigungsirrtum. Menschen nehmen häufig nur die Informationen wahr, die mit ihrer eigenen Meinung übereinstimmen, oder interpretieren diese so, dass sie die eigene Ansicht stützen. Wenn Gründer überzeugt sind, dass ihre Unternehmensidee ein einschlagender Erfolg sein wird, dann werden sie die Warnsignale wie die hohe Zahl gescheiterter Startup-Unternehmen ignorieren.

Worauf solltest Du aus verhaltensökonomischer Sicht bei einer Unternehmensgründung achten?

Wenn Du selbst in Erwägung ziehst, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder vor einem größeren Projekt stehst und nicht enttäuscht werden möchtest, dann ist es ratsam, sich ausreichend zu informieren, mit Erfahrenen zu sprechen und bekannte Informationen und Daten auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Außerdem ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, dass ein Misserfolg ein möglicher Ausgang der Gründungsidee sein kann. Daher konsultiere auch Kritiker deines Gründungsplans. Eine Pre-mortem-Analyse kann ebenfalls dabei helfen, die Schwächen eines Projekts zu identifizieren und diese, wenn möglich, frühzeitig zu eliminieren.

Quellen:

DIHK – Deutscher Industrie- und Handelskammertag, 2015, Talfahrt gebremst, aber Schwäche dauert an, DIHK-Gründerreport 2015

Institut für Mittelstandsforschung Bonn, 2016, Gründungen und Liquidationen im gewerblichen Bereich

 

Regina hat Economics and Psychology an der Universität Panthéon-Sorbonne in Paris studiert und arbeitet seit 2015 als Researcher in der IW Akademie. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Verhaltensökonomik und Wirtschaftspsychologie. Sie interessiert sich vor allem für die psychologischen Aspekte wirtschaftlichen Entscheidens und Handelns.