Donald Trumps Anti-Woke-Erlass setzt deutsche Firmen zunehmend unter Druck. Unternehmen sind einem Dilemma ausgesetzt: Die eigenen Werte hochhalten und wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen? Oder dem Druck nachgeben und das wirtschaftliche Risiko minimieren? In der Not verbirgt sich eine große Chance.
Diversity, Equity, Inclusion – Jetzt erst recht!?
Die gesellschaftliche Debatte um Vielfalt, Fairness und Inklusion erlebt eine kritische Phase. Was noch bis vor kurzem als uneingeschränkt positiv galt und Ausdruck fortschrittlicher Unternehmenskultur war, gerät zunehmend unter Druck – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Unternehmen sehen sich mit der grundlegenden Frage konfrontiert: Folgt man weiterhin einer wertebasierten Strategie? Oder ordnet man sich kurzfristigen wirtschaftlichen Zwängen unter?
Wer nur dem DEI-Zeitgeist gefolgt ist, kommt jetzt in Bedrängnis. Wie immer, wenn etwas auf die Schnelle proklamiert wird, zeigt sich früher oder später, dass es angesichts der vielen möglichen Zielkonflikte kaum etwas kostenlos gibt.
Moralisch richtig, in der Umsetzung schwierig
Vielfalt, Fairness und Inklusion lassen sich als Ziele moralisch sowohl deontologisch, tugendethisch als auch utilitaristisch rechtfertigen. Schwieriger wird es, wenn es um konkrete Maßnahmen geht, die andere Gruppen systematisch benachteiligen – beispielsweise aufgrund von positiver Diskriminierung. Was einst als selbstverständliche Positionierung erschien, wird nun auf seine Substanz und Kosten-Nutzen geprüft. Unternehmen, die DEI aus innerer Überzeugung eingeführt und gelebt haben, stehen weiterhin zu ihren Werten – nicht zuletzt, weil sie ihre eigene Identität, Unternehmens-DNA und Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen würden, wenn sie sich plötzlich davon distanzierten. Die aktuelle Debatte bietet ihnen sogar die Chance, sich wieder zu differenzieren: Wer jetzt Flagge zeigt, gewinnt Kunden und Kundinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, aber auch andere Stakeholder für sich. Es gilt, was sich auch in anderen Debatten beobachten lässt: Wer es ernst meint, bemüht sich unabhängig vom Zeitgeist um ökologische Nachhaltigkeit, um eine glaubwürdige CSR-Strategie, um Inklusion.
Kurz- vs. langfristige Ziele: Resilient durch Krisenzeiten
Nicht alle Unternehmen gehen diesen Weg – einige rudern zurück. Teilweise werden still und heimlich die Programme zur Förderung von Vielfalt und Inklusion von den Webseiten gelöscht oder Kampagnen eingestellt. Teilweise wenden sich Unternehmen öffentlich von den hehren Zielen ab – sei es aus Angst vor Boykottaufrufen, politischem Druck oder schlicht aus Angst vor sinkenden Absatzzahlen auf bestimmten Märkten wie den USA. Solange das DEI-Engagement der Unternehmen nur eine opportunistische Geste oder eine Marketingaktion war, fällt es leicht, umzusteuern. Spätestens jetzt zeigt sich, welche Firmen es mit dem integren Wirtschaften entlang dieser Leitlinien ernst meinten. Denn wer nur mit dem Wind segelt, ist beim ersten Gegenwind schnell vom Kurs abgebracht.
Echte Integrität beweist sich nicht in Zeiten des Applauses. Wer heute trotz möglicher Repressalien zu seinen Werten und seinen nachhaltigen Zielen steht, zeigt nicht nur Haltung, sondern hat jenseits von Gendersternchen, wohlfeilen Formulierungen oder den richtigen Diversitäts-Bildern seine Unternehmensstrategie aus Überzeugung auf Fairness, Nachhaltigkeit, Inklusion und letztlich im Vertrauen auf eine offene Gesellschaft ausgerichtet. Diese Integrität kann zwar kurzfristig wirtschaftlich schmerzen. Langfristig jedoch stärkt sie Vertrauen – und zahlt sich damit aus. Ein Mittelweg wäre, sich vorübergehend vom US-Markt loszulösen, das würde einige Unternehmen unabhängiger von politisch aufgeladenen Kampagnen zu machen. Ein mutiger, aber nicht undenkbarer Schritt zu mehr Resilienz, für die kurzfristig auf Effizienz verzichtet werden muss.
Das gilt im Übrigen auch für Firmen, die sich weder früher noch jetzt vom Zeitgeist beeindrucken lassen und weiterhin Ziele aus innerer Überzeugung verfolgen. Nischen finden sich immer, nicht jeder Shitstorm deckt sich mit der Mehrheitsmeinung oder dem, was relevante Kundengruppe denken. Letztlich handelt es sich also um eine strategische Entscheidung.
Weniger inszenieren – mehr tun
Imagekampagnen, Regenbogen und Gendersternchen allein schaffen noch keine inklusive Unternehmenskultur. Authentische Veränderung entsteht im Stillen: durch faire Einstellungsverfahren, inklusive Führung, bewusste Sprache und eine Unternehmenskultur, die Vielfalt nicht nur duldet, sondern der Weiterentwicklung des Unternehmens dient. Ein Unternehmen muss nicht laut über Diversität sprechen, um sie zu leben. Umgekehrt wird lautes DEI-Marketing ohne gelebte Substanz schnell zur Farce.
Wie ein Unternehmen sich nun positionieren möchte, kann das Management – idealerweise gemeinsam mit den Beschäftigten – systematisch anhand einer einfachen Matrix prüfen. Grundlage ist die Entscheidung für oder gegen DEI. Wenn DEI als richtig und wichtig angesehen wird und der Zeitgeist dies fordert, ist die Entscheidung einfach: Machen. Ist der Zeitgeist dagegen und die Reputation in wichtigen Märkten wie den USA gefährdet, ist dies der Lackmustest oder Prüfstein für die eigenen Integrität.
Prüfinstrument: Intuitiver Imperativ
Hilfreich kann dabei der intuitive Imperativ sein. Zur Überprüfung dienen drei einfache Fragen:
1. Kann ich morgens und abends nach der Entscheidung noch in den Spiegel schauen?
2. Kann ich einer mir nahestehenden Person die Gründe für meine Entscheidung erklären und verständlich machen?
3. Dürfen die von meiner Entscheidung unmittelbar Betroffenen meine wahren Motive erfahren? Oder: Wäre es mir egal, wenn meine wahren Gründe, die zur Ablehnung von DIE führen, versehentlich Menschen mit Behinderung, Älteren, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder anderen Gruppen bekannt würden?
Wenn alle Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, handelt das Unternehmen zumindest entlang der eigenen Wertvorstellungen – und folgt nicht bloß dem Zeitgeist.
Fazit
In einer zunehmend polarisierten Debatte braucht es Unternehmen, die mutig auch mal gegen den Strom schwimmen, wenn es der eigenen Unternehmenskultur entspricht. Das fördert langfristig nicht nur die Glaubwürdigkeit und Reputation, sondern stärkt das Vertrauen ins Unternehmen. Klare Positionierungen gibt es von verschiedenen Unternehmen, Verbänden, Sozialpartnern und Managerinnen und Managern. Gerade jetzt sollten integer wirtschaftende Unternehmen in Weiterbildung und die Umsetzung ihrer Programme investieren und die Chance zur Differenzierung nutzen.
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