Mehr Freizeit = steigende Lebenszufriedenheit?

Zeit ist knapp und kostbar. Viele Menschen haben das Gefühl, sehr viel zu arbeiten und sehnen sich nach mehr Freizeit. Doch wie viel Freizeit macht uns tatsächlich glücklich?

Eine Studie aus den USA (Sharif et al. 2018) untersuchte diese Fragestellung. Durch die Analyse von zwei großen Datensätze mit über 35.000 befragten Personen prüften sie den Zusammenhang zwischen frei verfügbarer Zeit und Lebenszufriedenheit. Im Ergebnis zeigte sich, dass zu wenig Zeit tatsächlich mit einer geringen Lebenszufriedenheit einher geht. Viel Zeit hat allerdings auch nicht unbedingt einen positiven Effekt. Ab zwei Stunden führt mehr Freizeit nicht automatisch zu steigender Zufriedenheit. Im Gegenteil: wir werden unglücklicher.

Innerhalb der Studie wurde den Probanden hypothetisch wenig Freizeit (15 Minuten), moderat viel Freizeit (2,5 Stunden) oder viel Freizeit (7,5 Stunden) am Tag zur Verfügung gestellt. Bewertet wurden daraufhin der erwartete Stresslevel und die Produktivität. Am glücklichsten fühlten sich die Befragten mit moderat viel Freizeit. Die Hauptursache für abnehmende Zufriedenheit bei steigender Freizeit war die Erwartung, unproduktiv zu sein.

Viel Freizeit bedeutet nicht unbedingt mehr Lebenszufriedenheit.

Doch Stress wiederum, der durch das Gefühl der Zeitknappheit entsteht, wirkt ebenfalls negativ auf das Glück. Mit steigendem Wohlstand nimmt dieses Gefühl meist zu. Menschen, die dagegen ihr Geld in Dienstleistungen investieren, die ihnen selbst Zeit ersparen, haben eine höhere Lebenszufriedenheit (Whillans et al., 2017; Enste/Orth, 2018). Derartige Dienstleistungen können Haushaltshilfen, Steuerberater oder auch Restaurantbesuche sein, durch welche unangenehme Aufgaben abgegeben werden und somit Freizeit „erkauft“ wird. Der Zeitdruck zum Ende des Tages sinkt, die Stimmung bessert sich und die Lebenszufriedenheit steigt signifikant.

Es kommt weniger darauf an, dass man viel Freizeit hat, sondern eher, wie man diese nutzt.

Wer in seiner Freizeit beispielsweise Zeit für Sport hat, dem geht es psychisch besser (Chekroud et al., 2018; Zittlau, 2019). Bis zu sechs Stunden Sport pro Woche steigern das Wohlbefinden. Die optimale Dosis liegt bei drei bis fünf Trainingseinheiten pro Woche von 30 bis 60 Minuten. Während sich Sportler gemäß dieser Studie an etwa 35 Tagen im Jahr elend fühlen, sind es bei Bewegungsmuffeln hingegen 53 Tage. Dies lässt sich auch in eine Einkommenskompensation umrechnen: Menschen, die aktiv sind, fühlen sich genau so gut wie Sportverweigerer, die jährlich 25.000$ mehr verdienen als der Durchschnitt. Man muss demnach ziemlich viel verdienen, um den positiven Effekt von Sport zu erreichen.

Auch Freiwilligenarbeit ist gut für das Wohlbefinden. Je altruistischer ein Mensch ist, je wichtiger er es also findet, anderen zu helfen, desto zufriedener ist er mit seinem Leben (Headey/Wagner, 2018). Menschen, die wöchentlich oder monatlich Freiwilligenarbeit leisteten, sind im Durchschnitt signifikant zufriedener, als die, die sich unregelmäßig oder nie engagieren (Enste/Ewers, 2014). Freizeit ist also nicht gleich Freizeit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese zu gestalten und damit Einfluss auf das persönliche Wohlbefinden zu nehmen.

 

 

Quellen

Chekroud, Sammi R. / Gueorguieva, Ralitza / Zheutlin, Amanda B. / Paulus, Martin / Krumholz, Harlan M. / Krystal, John H. / Chekroud, Adam M., 2018, Association between physical exercise and mental health in 1,2 million individuals in the USA between 2011 and 2015: a cross-sectional study. In: The Lancet Psychiatry 5 (9), S. 739–746.

Enste, Dominik / Ewers, Mara, 2014, Lebenszufriedenheit in Deutschland: Entwicklung und Einflussfaktoren. In: IW Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung 41 (2), S. 93–109.

Enste, Dominik / Orth, Anja K., 2018, Die Lebenslage der Generation X. Unterstützung durch Haushaltshilfen macht zufriedener. Hg. v. Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Online verfügbar unter www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2018/IW-Kurzgutachten_Die_Lebenslage_der_Generation_X.pdf, zuletzt aktualisiert am 2018, zuletzt geprüft am 25.01.2019.

Headey, Bruce / Wagner, Gert G., 2018, Alternative Values-Based ‘Recipes’ for Life Satisfaction: German Results with an Australian Replication. Hg. v. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research, 982). Online verfügbar unter www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.598428.de/diw_sp0982.pdf, zuletzt aktualisiert am 2018, zuletzt geprüft am 28.01.2019.

Sharif, Marissa / Mogilner, Cassie / Hershfield, Hal, 2018, The Effects of Being Time Poor and Time Rich on Life Satisfaction. In: SSRN Journal.

Wille, Jole, 2019, So viel Freizeit pro Tag macht uns offenbar am glücklichsten. Online verfügbar unter www.welt.de/kmpkt/article189636185/Dreiteilige-Studie-So-viel-Freizeit-pro-Tag-macht-uns-offenbar-am-gluecklichsten.html, zuletzt geprüft am 06.03.2019.

Zittlau, Jörg, 2019, Schwitzen fürs Glücklichsein. In: Die Welt, 04.03.2019, S. 20.

 

Lena arbeitet seit 2018 als Referentin in der IW Akademie. Sie studierte im Master Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Management/Marketing an der Universität Duisburg-Essen.