Führung

Fairness macht sich bezahlt – Die Rolle eines fairen Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis

Die fortschreitende Globalisierung fordert von Unternehmen zunehmende Flexibilität und die Bereitschaft zur betrieblichen Umstrukturierung. Immer wieder sind damit auch Entlassungen oder Lohnkürzungen verbunden. Doch wie wirken sich diese Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Mitarbeiter bzw. das Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis aus und was sind die Folgen?

Die Verhaltensforschung zeigt interessante Befunde über die Relevanz eines fairen Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnisses auf. Sie zeigen, dass Optimierungsmaßnahmen ihr primäres Ziel sogar verfehlen können, wenn sich auf Seiten der Mitarbeiter der Eindruck einer unfairen Behandlung ergibt.

Unfaire Löhne und Lohnkürzungen senken die Arbeitsmoral und Produktivität

Höhere Löhne wirken bis zu einem bestimmten Punkt motivierend auf Arbeitnehmer (Akerlof, 1982) und stellen damit ein wirksames Instrument für Betriebe dar, produktiver zu wirtschaften. In der Wissenschaft ist dieser Umstand längst ein stilisierter Fakt. Umgekehrt gilt auch, dass vom Arbeitnehmer als unfair wahrgenommene Löhne demotivierend, produktivitätssenkend und stressfördernd wirken. Hierdurch wird nicht nur das Betriebsklima beeinträchtigt. Wird die eigene Bezahlung über einen längeren Zeitraum als unfair empfunden, so zeigt eine aktuelle Studie (Boscher et al., 2017)[1], steigt auch das Risiko stressinduzierter gesundheitlicher Leiden, wie unter anderem dem Risiko an Depressionen, Diabetes oder Herzproblemen zu erkranken. Dabei scheint dieser Effekt ungerechter Bezahlung für Frauen stärker ausgeprägt als für ihre männlichen Kollegen. Am höchsten gestaltet sich das Risiko aber für Frauen in Vollzeitarbeit.

Unternehmen haben somit einen erheblichen Anreiz ausgezahlte Löhne so gerecht wie möglich zu gestalten. Befragungswerte des Sozioökonomischen Panels zeigen die Aktualität und Tragweite der Frage nach gerechten Löhnen. Etwa 38 %, ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Befragten, empfanden zum Befragungszeitpunkt ihre Bezahlung als ungerecht. Abbildung 1 stellt dieses Ergebnis illustrativ differenziert nach männlichen und weiblichen Befragten dar. Es zeigt sich, dass zum Befragungszeitpunkt Frauen in Bezug auf ihr Einkommen geringfügig unzufriedener sind als Männer.

Abbildung 1:


Quelle: SOEP (2013),v 33.1, eigene Abbildung

Aber nicht nur die absolute Höhe der Löhne spielt eine Rolle. Auch auf Lohnkürzungen reagieren Arbeitnehmer unmittelbar mit einer Verhaltensanpassung. Profitorientierte Lohnkürzungen werden dabei als besonders ungerecht empfunden, im Vergleich zu Kürzungen aus wirtschaftlicher Not des Unternehmens heraus, und gehen mit einem noch deutlicheren Rückgang in Arbeitsmotivation und Produktivität einher. Die Bereitschaft zur Kündigung steigt in Folge einer Lohnkürzung, während zugleich die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen leidet (Stephan, 2006). Ist im gleichen Lohngefüge nur eine Teilgruppe der Beschäftigten von der Kürzung betroffen, zeigen sich bei den Betroffenen die negativen Effekte sogar noch stärker (Cohn, 2014). Die Verhaltensforschung bezeichnet dieses Phänomen auch als „Inequality aversion“, zu Deutsch „Ungleichheitsaversion“.

Menschen haben also auch am Arbeitsplatz ein ausgesprochen starkes Bedürfnis nach Fairness.

Interessanterweise reagieren Arbeitnehmer nicht nur auf unfaires Verhalten, wenn Sie selbst unmittelbar betroffen sind. Es gelang Ökonomen in einem experimentellen Rahmen zu zeigen, dass auch unfaires Verhalten des Arbeitgebers gegenüber Kollegen, beispielsweise in der Form von willkürlichen Entlassungen, negative Effekte auf Arbeitsmoral und Produktivität der im Betrieb verbleibenden hatte (Jeworrek et al., 2018). Hierzu simulierten die Forscher eine Arbeitnehmer-Arbeitgebersituation in Form eines Call-Centers und mehreren Testgruppen mit je zwei Arbeitsschichten. Während die eine Gruppe über beide Schichten personell unverändert blieb, waren einige Mitarbeiter einer anderen Gruppe nach der ersten Schicht von willkürlichen Entlassungen betroffen. Im Unternehmen verbleibende Kollegen dieser Arbeitnehmer reagierten in der Folge mit längeren Pausen und frühzeitigem Verlassen des Arbeitsplatzes. Sie verursachten damit einen Produktivitätsrückgang von 12% im Vergleich zu der Testgruppe ohne Entlassungen. Ungerechtes, oder auch nur als ungerecht wahrgenommenes Verhalten wirkt also bei direkter und auch indirekter Betroffenheit der Arbeitnehmer.

Diese Erkenntnis hilft zum besseren Verständnis der Tragweite von Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen in Betrieben, sowie zum besseren Verständnis eines geeigneten Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnisses.

Aber wie ist ein faires Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis zu gestalten?

Unternehmen haben einen Anreiz einen ausreichend hohen Lohn zu zahlen. Klar, denn im Idealfall steigert dies die Produktivität der Mitarbeiter und vermindert die Fluktuation in der Belegschaft. Ökonomen sprechen hier auch von Effizienzlöhnen. Sollten Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen nötig sein, seien es Lohnkürzungen oder Entlassungen, sollten Unternehmen ein Augenmerk darauf legen, wie diese von den Mitarbeitern wahrgenommen werden. Bemühungen um eine Entschädigung, sowie Unterstützung der Betroffenen zur Weitervermittlung an Anschlussarbeitsstellen können bei Entlassungen die beschriebenen negativen Effekte auf die Arbeitsmoral und Produktivität der Verbleibenden mildern. Auch spielt der Kontext bei Sparmaßnahmen eine wichtige Rolle. So werden Maßnahmen als weniger unfair empfunden, wenn sie aus einer wirtschaftlichen Not des Unternehmens entspringen. Transparente Entscheidungsprozesse, Kommunikation und Mitverantwortung der Mitarbeiter sichern also die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter und festigen ein vertrauensvolles, faires Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis.

Zusammenfassend gilt: „Nicht nur Angestellte schätzen eine faire Behandlung – sie lohnt sich auch aus ökonomischer Sicht“ (Jeworrek et al., 2018).

 

[1] Die Autoren basieren ihre Untersuchung auf Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP, Schupp 2009), einer jährlich wiederholten Befragung der stets gleichen Individuen.

 

Literatur:

Akerlof, George A, 1982, Labor contracts as partial gift exchange, in: The quarterly journal of economics, 97. Jg., Nr. 4, S. 543-569.

Boscher, Claudia / Arnold, Laura / Lange, Andreas / Szagun Bertram, 2017, Die Last der Ungerechtigkeit. Eine Längsschnittanalyse auf Basis des SOEPs zum Einfluss subjektiv wahrgenommener Einkommensgerechtigkeit auf das Risiko einer stressassoziierten Erkrankung, Das Gesundheitswesen, Thieme-Verlag, Stuttgart.

Cohn, Alain / Ernst Fehr, Benedikt Herrmann / Frédéric Schneider, 2014, Social Comparison and Effort Provision: Evidence From a Field Experiment, in: Journal of the European Economic Association, 12. Jg., Nr. 4, S. 877-898.

Jeworrek, Sabrina, 2018, Indirekte Effekte von als unfair wahrgenommenem Arbeitgeberverhalten auf die Produktivität von Beschäftigten, in: Wirtschaft im Wandel, 24. Jg., Nr. 3, S. 37-39.

Schupp, Jürgen, 2009, 25 Jahre Sozio-oekonomisches Panel – Ein Infrastrukturprojekt der empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschung in Deutschland, in: Zeitschrift für Soziologie, 38. Jg., Nr. 5, S. 350-357.

Stephan, Gesine, 2006, Fair geht vor: Was die Leute von Entlassungen und Lohnkürzungen halten, IAB-Kurzbericht, Nr. 1/2006.

 

Svenja war von August bis Oktober 2018 Praktikantin im Kompetenzfeld Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik. Sie studiert Volkswirtschaftslehre (Master) an der FU Berlin.